Es gibt kein ruhiges Hinterland?

"Aufruhr, Widerstand! Es gibt kein ruhiges Hinterland!" - für regelmäßige Besucher*innen von antifaschistischen Demonstrationen gehört dieser Slogan ebenso zum Standardrepertoire wie das klassische "Alerta, Alerta, Antifascista!". Doch ist dem tatsächlich so? Gibt es wirklich kein ruhiges Hinterland, in dem sich Neonazis, Faschist*innen und allerlei andere Rechtsradikale tummeln können?

Nehmen wir nur einmal ausschnittweise die Harzregion als Beispiel und da reicht es bereits, den südlichen Rand zu betrachten. Ländlich geprägt, die größte Stadt der Region hat geradeso über 40.000 Einwohner. Ansonsten viele Dörfer und vor allem viele alte Bauernhöfe. Einen dieser Bauernhöfe machte sich die Gruppierung "Nordadler" nach eigenen Angaben bereits 2017 zu eigen. Durch das Verbot im Juni 2021 erreichte die Gruppierung auch bundesweite Bekanntheit. Im Zuge des Verfahrens folgten mehrere Razzien bundesweit - nur in Mackenrode, dass mit 500 Einwohner*innen wohl gut und gern unter die Definition "Hinterland" fällt, blieb verschont. Gerade vor dem Hintergrund vor dem Hintergrund, dass vermutet wird, dass die Gruppierung Anschläge plante und sich vermeintlich Munition und Waffen besorgt haben soll, ist es umso bedenklicher ein derartiges Objekt außen vor zu lassen.

Damit ist Nordadler aber nicht allein. Schon seit den 1990er Jahren trifft sich die "Artgemeinschaft - germanische Glaubensgemeinschaft wesengemäßer Lebensgestaltung e.V." regelmäßig im Ilfelder Hufhaus. Die Artgemeinschaft, welche in den 1950er Jahren gegründet wurde und damit zu den ältesten rechtsradikalen Vereinen zählt, bietet eine Vernetzungsplattform für ein wahres Sammelbecken an Neonazis. Egal ob nun Personen aus dem erweiterten NSU-Umfeld wie Ralf Wohlleben, André Eminger, Michael See, aus dem Kerntrio selbst wie Beate Zschäpe und Uwe Mundlos oder Stephan Ernst, den Mörder von Walter Lübcke, sie alle und noch viele mehr stehen bzw. standen auf unterschiedliche Weise in Verbindung zur Artgemeinschaft. Aufklärungsversuche in der Bevölkerung, wer sich dort trifft, gab es einige - so hört man. Dennoch bleibt die Artgemeinschaft auch weiterhin ungestört. Diese Vorzüge des Hufhauses genießt auch die rechtsradikale Zeitschrift "Recht & Wahrheit", welche ihre Lesertreffen dort veranstaltet und dafür auch schon einmal die mehrfach wegen Holocaustleugnung vorbestrafte Ursula Haverbeck einlud.

Geht man nun noch ein Stück nordöstlicher den Südharz entlang, so landet man bald im sachsen-anhaltinischen Wienrode, wo sich vor einigen Jahren völkische Siedler*innen der Gruppe "Weda Elysia", die zur "Anastasia-Bewegung" gehören, niedergelassen haben. Auch dort kann eine völkische Gruppierung weitgehend unbedarft leben und ihrer Ideologie nachgehen. Dies sind dabei nur vier exemplarische Beispiele aus der Harzregion, wo sich rechte Strukturen niederlassen können und verfestigen. Dabei bietet der Harz selbst noch mehr Punkte, auf die es sich lohnt einen Blick zu werfen und auch ist der Harz als Region nur ein Beispiel von vielen bundesweit. Da drängt sie die Frage auf: Gibt es kein ruhiges Hinterland?